Das Seilsägeverfahren

Dieses Verfahren hat seine Ursprünge in Italien, dem Land, in dem der Marmorabbau schon eine lange Tradition hat. Dort gibt es große Mengen größtenteils horizontal liegender Gesteinsmassen. So ist auch dieses Verfahren vorwiegend für Schnitte dieser Richtung geeignet. Um das Seilsägeverfahren durchführen zu können, musste zuerst die gesamte Gesteinsbank völlig von Abraum befreit werden. Abraum stellt die gesamten über dem Gestein befindlichen Erdmassen dar, die den Abbau behindern. Wie der Name schon sagt, erfolgt der Schneidevorgang durch ein Seil, das doppelt gedrillt ist und eine Länge von etwa 300 bis 500 m haben muss, um sich nach dem Durchführen durch den Stein auf einem entsprechend langem Weg abkühlen zu können. Diesen Weg legte das Seil im Tannaer Marmorbruch über Metallspeichenräder, welche an rings um den Bruch aufgestellten Stahlsäulen waren, in einer Höhe von etwa vier Metern zurück. Jedes dieser Stahlräder besaß einen geschätzten Durchmesser von 50 bis 70 cm und führte in einer Rille das 5 mm dicke Stahlschneideseil und fungierte so als Umlenkrolle. Angetrieben wurde es durch einen Dieselmotor, da nie ein Anschluss an das Stromnetz existierte. Die Leistung, die es durch die so entstandene Geschwindigkeit erreichte, erhöhte ein Arbeiter noch durch die ständige Zugabe von Quarzsand und Wasser in den Schnitt. Das Seil führte beides durch den gesamten Schnitt mit sich. So wirkte der Sand vergleichbar mit einem Sägezahn. Das Wasser hatte nicht nur die Aufgabe der Kühlung von Stahlseil und Stein, sondern auch die der gleichmäßigen Verteilung des Sandes beziehungsweise des Ausspülens des Schneideschlamms. Hiermit minimierte man die Gefahr, dass das Seil den Motor blockiert. Wichtig ist auch der Fakt, dass alle Führungsrollen versetz- und verstellbar waren. In Verbindung mit den jeweils individuell aufstellbaren Stationen, welche sich direkt im Bruch befanden und dem Spannwerk direkt am Motor, eröffnete dies schier unendlich viele Möglichkeiten der Schnittführung. Ab 1897 nutzt man dieses Prinzip um in Handarbeit die Blöcke. Hierzu wurde ein Holzgestell über den zu bearbeitenden Block aufgestellt. Das daran befestigte Seil arbeitete sich mithilfe von Quarzsand und Wasser circa 30 – 40 cm in den Stein ein.53 Im hiesigen Marmorbruch wurden durch die Schräglage der Gesteinsbänke für Tanna typische Probleme aufgeworfen. Diese Umstände schränkten die Effektivität des Seilsägeverfahrens ein. Denn die horizontale Abspaltung eines Blockes konnte in Tanna meist ausgehend vom schiefrigen Charakter des Gesteins vorgenommen werden. So waren beim Schrämverfahren nur wenige Bohrlöcher von Nöten. Abgesehen von dieser Ausnahme ist mit dem Seilsägeverfahren in kürzerer Zeit ein höherer Ertrag erreichbar, was das Verfahren wirtschaftlicher macht. Im speziellen Fall des Tannaer Bruches ist das Seilsägeverfahren etwa zwei bis dreimal effektiver als das Schrämen. Da die Vorbereitungen für das Seilsägen etwa eine und der tatsächlichen Abbau bis zu zwei Wochen beanspruchte, war der Zeitaufwand geringer. Hingegen dauerte das Schrämverfahren in etwa einen Monat.